Zeugenpflicht
Zeugen sind sehr wichtig für die Gerichte, ganz besonders bei Strafsachen. Wenn der oder die Angeklagte leugnet, sein Opfer geschlagen zu haben und das Ganze niemand beobachtet hat, muss das Gericht diese Angeklagten im Zweifel freisprechen.
Viele sind der Meinung, sie müssten andere erst fragen, ob sie als Zeug*innen vor Gericht aussagen können. Das ist falsch: Alle sind verpflichtet, vor Staatsanwaltschaft und Gericht als Zeug*in auszusagen. Nur wer sich selbst oder einen Angehörigen durch seine Aussage strafrechtlich belasten könnte, darf die Aussage verweigern.
Wer eine Anzeige erstattet, muss möglicherweise später vor Staatsanwaltschaft oder Gericht als Zeug*in erscheinen. Dorthin kannst Du Dich grundsätzlich von einer Rechtsanwältin bzw. einem Rechtsanwalt als Zeugenbeistand begleiten lassen. Auch vor der Polizei musst Du als Zeug*in erscheinen und zur Sache aussagen, wenn der Zeugenladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Hingegen musst Du nicht bei der Polizei erscheinen, wenn Du selbst wegen einer Straftat beschuldigt wirst. Ist Dir nicht klar, dass Du Dich bei einer Zeugenvernehmung selbst belasten könntest, wäre es klug, vorher eine Anwältin bzw. einen Anwalt zu fragen. Dir steht auch das Recht zu, auf entsprechende Fragen nicht zu antworten. Aber: Wenn Du von einer Straftat weißt und dazu trotzdem keine Angaben machst, kann das eine Strafvereitelung darstellen. Wenn die Tat deshalb nicht bzw. verzögert verfolgt werden kann, ist das auch strafbar.
Sollst Du vor Gericht aussagen, bekommst Du eine schriftliche Ladung. Dann musst Du auch hingehen. Wer unentschuldigt nicht kommt, muss ein Ordnungsgeld zahlen, im schlimmsten Fall kann sogar eine sogenannte Ordnungshaft verhängt werden.
Die Zeugenpflicht bedeutet auch, dass man in der Regel dem oder der Angeklagten vor Gericht gegenübertreten muss. Vielleicht hast Du davor Angst, weil Du den oder die Angeklagte*n oder ihre/seine Freunde kennst, im selben Ort wohnst oder zur selben Schule gehst. Obwohl Anzeigen sehr wichtig sind, können Menschen gute Gründe haben, warum sie nicht als Zeug*in in einer Ermittlungsakte oder einem Gerichtsverfahren in Erscheinung treten wollen.
Grundsätzlich ist es möglich, eine Anzeige anonym zu erstatten: nämlich dann, wenn man befürchtet, dass der oder die Angezeigte sich später vielleicht rächen könnte. Die Polizei muss trotzdem ermitteln. Bei einer anonymen Anzeige wird es später natürlich schwieriger herauszufinden, was aus ihr geworden ist. Eine anonyme Anzeige ist trotzdem immer besser als gar keine.
Eines muss klar sein: Die Zeugenpflicht besteht nicht nur dann, wenn Du selbst Anzeige erstattest. Du bist auch zur Aussage verpflichtet, wenn Staatsanwaltschaft oder Gericht auf anderem Wege erfahren, dass Du etwas beobachtet hast und dazu Angaben machen könntest. Es ist deshalb sinnvoll, sich zu notieren, wer sonst noch als Zeug*in in Betracht kommt, und dies der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zu melden.